Samstag, 21. November 2020

Barockschloss Mannheim | Allgemeines Das Schloss brennt: Hofoper und Physikalisches Kabinett werden zerstört

Im Europa des 18. Jahrhunderts war die kurfürstliche Residenz in Mannheim als wahrer „Musenhof“ bekannt. Der kunstsinnige Carl Theodor förderte Hofmusik, Oper, Theater und Wissenschaften. Bereits unter Kurfürst Carl Philipp war 1737 der westliche Schlosstrakt mit Hofoper und Ballspielhaus entstanden, auch das berühmte von Carl Theodor gegründete Physikalische Kabinett fand hier seinen Platz. Der Erste Koalitionskrieg beendete diese Tradition: Am 21. November 1795, heute vor 225 Jahren, wurde bei der Rückeroberung der Stadt der westliche Schlossflügel durch habsburgische Artillerie in Brand gesetzt.

KAMPF UM MANNHEIM – ZERSTÖRUNG DES SCHLOSSFLÜGELS

Ab Mai 1795 wurde Mannheim im Ersten Koalitionskrieg von der französischen Armee belagert; am 20. September 1795 wurde die Stadt durch den kurfürstlichen Minister Franz Albert Graf von Oberndorff übergeben. Bei der Rückeroberung durch österreichische Truppen im November erlitt Mannheim durch Artilleriebeschuss schwere Zerstörungen. Die Münchner Zeitung vom 1. Dezember 1795 berichtet von den Kämpfen am 20. und 21. November: „Mannheim war nun von allen Seiten eingeschlossen, und von jetzt an war fast keine Stunde mehr Ruhe weder bei Tage noch bei Nacht. Das fürchterliche Kanonenfeuer hielt den ganzen Tag an, Kugeln regneten in die Stadt; des Abends und die Nacht hindurch flogen Haubizen und Bomben, die mit gräßlichem Knall und Geprassel zerplazten […] Die Franzosen fingen Abends an, von der hinter dem Schloß und sonst am Rhein gelegenen Batterien heftig darauf zu feuern. Die Kaiserlichen erwiederten das Feuer gegen den Morgen so kräftig, daß am 21sten morgens ein Theil des kurfürstlichen Schloßes, das Opern- und Ballhaus in vollen Flammen stand. Bald ward der ganze Flügel bis an die Schloß-Cappelle davon ergriffen, und das ganze schien ohne Rettung verloren zu sein. Glüklicher Weise ward die weitere Verbreitung des Brandes durch Abwerfung des Daches bis an den pavillon an der Kapelle, und desjenigen, welches die Verbindung mit dem ehemaligen Jesuitenkollegium machet, gehempt. Durch diesen Brand ging das schönste physikalische Kabinet mit den kostbaren Instrumenten, die zum Oper- und National-Theater gehörigen Dekorationen, der zu Verfertigung derselben dienden Malersaal, der ganze Hausrath der in diesem Schloßflügel wohnenden Aufseher, und ein großer im Hof sizender Vorrat Kammeralholz verloren. Selbst die Schloßkapelle wurde dadurch beschädiget.“

 

DIE OPER AM KURFÜRSTLICHEN HOF

Nicht nur Carl Theodor liebte Literatur, Musik und Theater, bereits Kurfürst Carl Philipp gab erste Impulse für die Musik- und Theaterentwicklung. Ab 1737 entstand der hintere westliche Schlosstrakt mit der Hofoper und dem Ballspielhaus. Der 1741 zum kurfürstlichen Oberbaudirektor beförderte Alessandro Galli da Bibiena errichtete die Oper. Als eine der modernsten Bühnen der Zeit konnte das Theater mit Sitzen im Parterre und sechs Rängen etwa 2.000 Zuschauer fassen. Für die Beleuchtung des Raumes benötigte man 1.200 Kerzen. Mit der Oper „Meride“ des kurpfälzischen Kapellmeisters Carlo Grua wurde das Gebäude anlässlich der Doppelhochzeit von Carl Philipps Enkelin Elisabeth Auguste mit seinem designierten Nachfolger Carl Theodor und ihrer Schwester Maria Anna mit Herzog Clemens von Bayern am 17. Januar 1742 eingeweiht. Kurfürst Carl Philipp verstarb im gleichen Jahr.

 

DAS PHYSIKALISCHE KABINETT

Carl Theodor zählte zu den aufgeklärten Fürsten des 18. Jahrhunderts und war zeit seines Lebens ein großer Förderer der Wissenschaften. 1763 gründete er nach dem Vorbild der bayerischen Akademie der Wissenschaften die Academia Electoralia Theodoro Palatina. Auch physikalische Studien hatten es ihm angetan. 1760 ließ der Kurfürst für den Jesuitenpater Johann Jakob Hemmer (1733–1790) ein Physikalisches Kabinett im Westflügel des Mannheimer Schlosses einrichten. Hier experimentierte Hemmer nach dem Vorbild Benjamin Franklins mit elektrischer Ladung und Entladung. Für das Physikalische Kabinett spendierte der Kurfürst die große Summe von 4.000 Gulden für spezielle Instrumente. Hemmer führte die ersten Blitzableiter in der Kurpfalz ein – einer von ihnen ist auf dem Dach der Sternwarte erhalten.

 

DER WESTFLÜGEL IM 19. JAHRHUNDERT

Die bei der Belagerung Mannheims im Jahr 1795 ausgebrannte Oper und das Ballhaus im westlichen Trakt blieben als Ruinen bis in die badische Zeit stehen. Nach dem Tod von Großherzogin Stéphanie 1860 wurde im ehemaligen Ballhaus eine Gartenwirtschaft eingerichtet, die Reste der Oper riss man ab und baute dafür ein Amtsgefängnis.

 

EINES DER GRÖSSTEN BAROCKSCHLÖSSER

Das eindrucksvolle Barockschloss Mannheim zählt mit seinem weiten Ehrenhof und einer Schaufassade von 440 Metern Länge zu den größten Schlössern Europas. Die Residenz ist ein Ort, an dem sich heute die Welt der Fürsten wieder erleben lässt – mit den vielen Stücken, die vom Leben am Hof erzählen, etwa das großherzoglich badische Hofsilber oder das Bibliothekskabinett der Kurfürstin, das den Zweiten Weltkrieg fast unbeschädigt überstanden hat. Im Erdgeschoss des Schlosses lädt die Dauerausstellung „Kunst und Kultur am Mannheimer Hof“ zu einer Reise durch verschiedene Epochen der Schlossgeschichte ein.

 

SERVICE UND INFORMATION 

Schloss Mannheim ist wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg bis mindestens 30. November gemäß der aktuellen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg geschlossen.

 

KONTAKT

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