Hohe Reinheit: Untersuchungen zum badischen Hofsilber sind abgeschlossen
Modernste Untersuchungsmethoden
130 Teile umfasst das badische Hofsilber: „Es ist im wahrsten Sinne des Wortes der glänzende Höhepunkt im Schlossmuseum“, erklärt Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Umso auffälliger waren die Flecken und Verfärbungen, die die Empire-Gefäße zeigten. „Wir haben daher in den letzten Jahren das Silber und die Konditionen seiner Aufbewahrung mit hohem technischem Aufwand untersuchen lassen“, ergänzt Michael Hörrmann. Um die empfindlichen Stücke gegen das Anlaufen zu schützen und den Besucherinnen und Besuchern das prachtvolle Service in vollem Glanz zeigen zu können, gaben die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg Untersuchungen der Raumluft und des Materials in Auftrag. Das Mannheimer Labor des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie gGmbH unter der Leitung von Prof. Dr. Roland Schwab und Joachim Lutz bestimmte die Silberlegierung der Serviceteile; die Raumluftmessung übernahm das Würzburger Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC Internationales Zentrum für Konservierungsforschung und Kulturgüterschutz unter der Leitung von Dr. Katrin Wittstadt und Gabriele Maas-Diegeler.
Aussergewöhnlich hoher Silbergehalt
Die Zusammensetzung der Silberlegierung in den Tellern, Salzgefäßen, Messergriffen, Suppenterrinen, Leuchtern und Tafelaufsätzen wurde durch einen Röntgen-Fluoreszensanalysator ermittelt. Dabei stellte sich heraus: Die Silber-Feingehalte der Teile, die von Jean-Baptiste-Claude Odiot in Paris hergestellt wurden, sind extrem hoch. Sie liegen zwischen 95 und 97% und weisen damit einen höheren Silberanteil auf als Sterlingsilber, dessen Anteil 92% beträgt. Dagegen enthalten die später von Kunsthandwerkern in Karlsruhe und Pforzheim nachgearbeiteten Teile des Service einen beträchtlich geringeren Anteil des Edelmetalls auf: Sie enthalten nur 85% Silber. Damit war der Grund für das schnelle Anlaufen gefunden: Silberoberflächen mit einer hohen Reinheit reagieren stärker auf die umgebende Raumluft. Es reichen schon minimale Mengen von Schwefelverbindungen in der Umgebung, um das Silbers zum Reagieren – und damit zum Anlaufen zu bringen.
Es liegt nichts in der Luft
Um die Zusammensetzung der Raumluft einschätzen zu können, wurde drei Monate lang gemessen und analysiert. Dabei zeigte sich: Die Luft in den Schlossräumen enthält keine auffälligen Anteile an korrosiven Substanzen. Es liegt also am Material und an den Stücken des Silberservice, dass sie so stark mit der Umgebung reagieren. Um die kostbaren Exponate nun vor einem weiteren Anlaufen zu schützen, ist die Sachkenntnis der Fachleute der Staatlichen Schlösser und Gärten gefragt.
Zukünftige Schutzmassnahmen
Der zuständige Restaurator, Werner Hiller-König, erläutert, wie es nun weitergehen wird: „Die Messungen haben gezeigt, dass auch eine aufgerüstete Klimaanlage keinen wirklichen Schutz gegen das Anlaufen des Silbers verspricht.“ Eine absolut gasdichte Vitrine sei wegen der benötigten Größe schon aus statischen Gründen nicht umzusetzen. „Daher bleibt uns nur der direkte Schutz der einzelnen Stücke“, erklärt Werner Hiller-König. Jetzt sind die Fachleute am Ermitteln, welcher Schutz auf die Silberoberflächen aufgetragen werden kann. Die Monate, in denen das Schloss wegen der aktuellen Sanierung geschlossen sein wird, lassen dafür den nötigen Spielraum.
Einblick in eine prächtige Tischkultur
Das prachtvolle badische Service schuf den Rahmen für eine repräsentative Tafelkultur. Das Hofsilberservice wurde 1823 im Auftrag Großherzog Ludwigs von Baden von dem bekannten Silberschmied Jean-Baptiste-Claude Odiot in Paris hergestellt. Später durch Werkstätten in Karlsruhe und Pforzheim ergänzt, zählt es insgesamt 130 Teile, jedes geschmückt mit dem badischen Staatswappen mit Krone. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurden alle Gerichte nach einem festgelegten Muster „à la française“ zugleich auf der Tafel platziert. Für Großherzogin Stéphanie, die ab 1806 im Schloss lebte, servierte man jedoch nach der neuen Mode „à la russe“. Dabei boten die Diener die Platten an und man durfte sich selbst schöpfen. So entstand auf der Tafel Platz für große Tafelaufsätze („Surtouts“), die während des ganzen Essens stehen blieben. Nach der Entwicklung der Stearinwachskerze wurden auch tagsüber Kerzen entzündet, deren flackerndes Licht von den Spiegeln des Tafelaufsatzes reflektiert wurde und das Silber zum Funkeln brachte.